Der Carbon Border Adjustment Mechanism (CBAM) ist ein zentraler Bestandteil der europäischen Klimaschutzpolitik. Er ist sowohl ein Werkzeug zur Reduzierung von Emissionen als auch eine Maßnahme zur Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit europäischer Unternehmen im internationalen Handel.
1. Hintergrund und Zielsetzung des CBAM
a) Problematik des Carbon Leakage
- Carbon Leakage bezeichnet die Verlagerung von CO₂-intensiver Produktion aus der EU in Drittstaaten mit weniger strengen Klimaschutzvorgaben.
- Diese Verlagerung untergräbt die globalen Klimaziele und benachteiligt Unternehmen, die innerhalb der EU unter höheren Kosten durch das EU-Emissionshandelssystem (EU ETS) arbeiten.
b) Ziele des CBAM
- Klimaschutz: Förderung global einheitlicher Klimastandards und Verringerung von Emissionen.
- Wettbewerbsschutz: Schaffung gleicher Wettbewerbsbedingungen (Level Playing Field) für europäische und ausländische Unternehmen.
- Anreizmechanismus: Förderung emissionsarmer Produktionsmethoden in Drittstaaten.
2. Rechtsrahmen des CBAM
a) Europäische Rechtsgrundlage
1. Verordnung (EU) 2023/956
- Die CBAM-Verordnung ist der rechtliche Rahmen für den Mechanismus.
- Sie wurde als Teil des europäischen Fit-for-55-Pakets verabschiedet und unterstützt die Zielsetzung der Klimaneutralität bis 2050.
2. Green Deal der EU
- Übergeordnetes politisches Programm, das die CO₂-Emissionen bis 2030 um mindestens 55 % reduzieren und Klimaneutralität bis 2050 erreichen will.
3. Europäisches Emissionshandelssystem (EU ETS)
- Der CBAM ergänzt das EU ETS, indem er für importierte Waren ähnliche Kosten für CO₂-Emissionen auferlegt wie für in der EU hergestellte Produkte.
b) Internationale Rechtsgrundlage
1. WTO-Konformität
- Der CBAM muss mit den Grundsätzen der Welthandelsorganisation (WTO), insbesondere des GATT (General Agreement on Tariffs and Trade), übereinstimmen.
- Artikel I GATT: Meistbegünstigungsklausel.
- Artikel III GATT: Gleichbehandlung in- und ausländischer Produkte.
- Artikel XX GATT: Erlaubt Umweltmaßnahmen, sofern diese nicht diskriminierend sind.
2. Bilaterale Handelsabkommen
- Der CBAM kann Auswirkungen auf bestehende Abkommen mit Drittstaaten haben, z. B. Handelsverträge mit den USA oder Mercosur.
3. Funktionsweise des CBAM
a) Betroffene Branchen und Produkte
- In der ersten Phase (2023–2025) umfasst der CBAM folgende Produkte:
- Zement.
- Eisen und Stahl.
- Aluminium.
- Düngemittel.
- Elektrizität.
- Erweiterungen auf weitere Branchen wie Chemikalien oder Wasserstoff sind vorgesehen.
b) Berechnung der CO₂-Emissionen
- Die berechneten Emissionen basieren auf:
- Direkten Emissionen: CO₂, das bei der Produktion ausgestoßen wird.
- Indirekten Emissionen: Emissionen aus dem Energieverbrauch während der Produktion.
c) Verpflichtungen für Importeure
- Berichterstattung: Importeure müssen detaillierte Daten über die CO₂-Intensität der importierten Waren vorlegen.
- Kauf von CBAM-Zertifikaten:
- Der Preis eines Zertifikats entspricht den CO₂-Preisen im EU ETS.
- Die Anzahl der Zertifikate richtet sich nach den Emissionen, die bei der Produktion der importierten Waren anfallen.
- Berücksichtigung ausländischer CO₂-Preise: Bereits im Herkunftsland gezahlte CO₂-Kosten werden angerechnet.
d) Übergangs- und Einführungsphasen
- Übergangsphase (2023–2025):
- Verpflichtung zur Berichterstattung ohne Kostenpflicht.
- Ziel: Vorbereitung der Unternehmen auf das neue System.
- Vollständige Einführung (ab 2026):
- Importeure müssen CBAM-Zertifikate erwerben und abgeben.
4. Rechtliche Anforderungen
a) Registrierungspflichten
- Alle Importeure müssen sich bei den zuständigen nationalen Behörden registrieren.
- Anforderungen an die Bereitstellung von CO₂-Daten und Verifizierungsnachweisen.
b) Berichterstattung
- Unternehmen müssen jährlich ihre Importmengen und die damit verbundenen Emissionen melden.
- Verifizierungsanforderungen:
- Emissionsdaten müssen von einer unabhängigen Stelle überprüft werden.
c) Sanktionen bei Verstößen
- Bei Verstößen gegen die CBAM-Pflichten drohen hohe Geldbußen.
- Strafmaßnahmen: Geldstrafen orientieren sich an den CO₂-Kosten im EU ETS, mindestens jedoch 100 €/t CO₂.
5. Auswirkungen des CBAM
a) Auf europäische Unternehmen
- Schutz vor unfairem Wettbewerb:
- Gleiche CO₂-Kosten für in- und außerhalb der EU hergestellte Produkte.
- Anreiz für Innovation:
- Förderung emissionsarmer Produktionsmethoden durch Wettbewerbsvorteile.
b) Auf Drittstaaten
- Herausforderungen für Exporteure:
- Zusätzliche Kosten für Exporteure, insbesondere aus Ländern ohne CO₂-Bepreisung.
- Anreiz zur Einführung eigener CO₂-Preissysteme:
- Förderung des globalen Klimaschutzes durch Marktmechanismen.
c) Wirtschaftliche Risiken
- Handelskonflikte: Risiko von Vergeltungsmaßnahmen durch betroffene Staaten.
- Kostensteigerungen: Verteuerung importierter Waren kann die Inflation in der EU erhöhen.
6. Herausforderungen und Kritik
a) Regulatorische Komplexität
- Unterschiedliche nationale Anforderungen innerhalb der EU erschweren die einheitliche Anwendung des CBAM.
b) WTO-Konformität
- Die EU muss nachweisen, dass der CBAM eine zulässige Umweltschutzmaßnahme darstellt und nicht diskriminierend wirkt.
c) Belastung für Entwicklungsländer
- Länder mit geringeren Mitteln zur Einführung klimafreundlicher Technologien könnten benachteiligt werden.
d) Verwaltungsaufwand
- Unternehmen sehen sich mit erheblichen Berichts- und Nachweispflichten konfrontiert.
7. Relevante Rechtsprechung
a) EuGH und Umweltmaßnahmen
- EuGH, Urteil vom 13.12.2001, Az. C-379/98: Umweltmaßnahmen können Handelsbeschränkungen rechtfertigen, sofern sie verhältnismäßig und nicht diskriminierend sind.
b) WTO-Rechtsprechung
- Shrimp-Turtle-Entscheidung (WTO, 1998): Umweltschutzmaßnahmen sind zulässig, wenn sie transparent und nicht diskriminierend gestaltet sind.
8. Strategische Optionen für Unternehmen
a) Anpassung von Lieferketten
- Verlagerung der Produktion in Länder mit CO₂-Bepreisung zur Vermeidung von CBAM-Kosten.
b) Investitionen in Dekarbonisierung
- Einführung emissionsarmer Technologien zur Reduktion der CO₂-Intensität von Produkten.
c) Vertragliche Absicherung
- Anpassung von Lieferverträgen durch Klauseln zu CBAM-Kosten und CO₂-Bilanzen.
9. Leistungen von horak Rechtsanwälte / Patentanwälte im Bereich CBAM
a) Regulatorische Beratung
- Unterstützung bei der Registrierung und Einhaltung von CBAM-Pflichten.
- Prüfung der Konformität von CO₂-Daten und Berichten.
b) Vertragsgestaltung
- Entwicklung von Verträgen mit Klauseln zur Weitergabe von CBAM-Kosten.
- Anpassung internationaler Lieferverträge an CBAM-Vorgaben.
c) Strategische Planung
- Analyse der Auswirkungen des CBAM auf Geschäftsmodelle und Lieferketten.
- Entwicklung von Strategien zur Reduktion von CBAM-Kosten.
d) Streitbeilegung
- Vertretung bei Streitigkeiten mit Behörden über die Einhaltung von CBAM-Vorgaben.
- Unterstützung bei internationalen Handelsstreitigkeiten im Zusammenhang mit CBAM.
Der CBAM ist ein innovatives Instrument zur Förderung globaler Klimaschutzmaßnahmen, stellt jedoch erhebliche rechtliche und wirtschaftliche Herausforderungen dar. horak Rechtsanwälte / Patentanwälte bieten umfassende Unterstützung bei der Einhaltung von CBAM-Anforderungen, der Anpassung von Geschäftsmodellen und der strategischen Umsetzung von Dekarbonisierungsmaßnahmen.