Chemikalienrecht/Produkterecht

Das Chemikalien- und Produkterecht umfasst eine Vielzahl nationaler und internationaler Rechtsnormen, die den Umgang mit chemischen Stoffen, Gemischen und Produkten regeln, um Mensch und Umwelt zu schützen. Neben den einschlägigen Gesetzen und Verordnungen spielen internationale Verträge eine wichtige Rolle.


1. Grundlagen des Chemikalien- und Produkterechts

Das Chemikalien- und Produkterecht ist ein Teilbereich des Umwelt- und Sicherheitsrechts. Es umfasst:

  • Regulierungen auf EU-Ebene: z. B. REACH- und CLP-Verordnung.
  • Nationale Vorschriften: Chemikaliengesetz (ChemG), Produktsicherheitsgesetz (ProdSG).
  • Internationale Abkommen: Stockholm-Konvention, Rotterdam-Übereinkommen, Basler Übereinkommen.

1.1. Ziele

  • Schutz der öffentlichen Gesundheit und der Umwelt.
  • Förderung des verantwortungsvollen Chemikalienmanagements.
  • Harmonisierung von Rechtsvorschriften, um Handelshemmnisse zu vermeiden.

1.2. Wichtige Verträge

  • Stockholm-Konvention (2004): Verbot bzw. schrittweise Eliminierung von persistenten organischen Schadstoffen (POPs).
  • Rotterdam-Übereinkommen (1998): Verfahren zur vorherigen Zustimmung für den Export gefährlicher Chemikalien.
  • Basler Übereinkommen (1989): Kontrolle und Beschränkung des grenzüberschreitenden Abfalltransports.

2. Europäische und nationale Regelwerke

2.1. REACH-Verordnung

  • Beispiele: Registrierungspflicht für Chemikalien über 1 Tonne/Jahr.
    • Gerichtsurteil: EuGH, Urteil vom 7. März 2019, Rs. C-128/17 („Deutsche Umwelthilfe“): Verpflichtung zur Offenlegung von Stoffkonzentrationen in Produkten.

2.2. CLP-Verordnung

  • Einstufung und Kennzeichnung gefährlicher Stoffe und Gemische, z. B. Umweltgefährlichkeit durch Aquatoxizität.

2.3. Produktsicherheitsgesetz (ProdSG)

  • Fallbeispiel: Rückruf von Spielzeugen mit schädlichen Weichmachern.
    • Urteil: BGH, Urteil vom 9. März 2017, I ZR 123/15 („Spielzeugfall“).

2.4. Chemikaliengesetz (ChemG)

  • Nationale Umsetzung der EU-Vorgaben, z. B. Kontrollbefugnisse der Behörden bei Chemikalien.

3. Umweltrechtliche Bezüge

3.1. Wasserrecht

  • Chemikalien in Gewässern: Regeln nach Wasserrahmenrichtlinie und Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 (Pflanzenschutzmittel).
    • Beispiel: Einleitung von PFAS in Flüsse (bekannt aus Umweltprozessen wie 3M in Belgien).

3.2. Abfallrecht

  • Verknüpfung mit Chemikalienrecht: Entsorgung chemischer Abfälle (Basler Übereinkommen).
    • Urteil: VG Berlin, Urteil vom 22. Februar 2018, VG 10 K 427.17 (Pflichten bei Gefahrstoffentsorgung).

3.3. Bodenschutzrecht

  • Verpflichtung zur Sanierung belasteter Böden.
    • Fall: Altlastensanierung durch Chemieunternehmen (BGH, Urteil vom 28. Juni 2012, VII ZR 130/11).

4. Unsere anwaltlichen Tätigkeiten

Wir Anwälte sind in verschiedenen Rollen tätig:

4.1. Beratung

  • Unterstützung von Unternehmen bei der Registrierung und Zulassung von Chemikalien (REACH-Compliance).
  • Beratung bei der Einstufung und Kennzeichnung nach der CLP-Verordnung.
  • Vertragsgestaltung: Erstellung von Lieferverträgen mit Chemikalienexporten, z. B. unter Beachtung des Rotterdam-Übereinkommens.

4.2. Streitbeilegung

  • Verteidigung in Bußgeldverfahren wegen Verstößen gegen Umweltauflagen.
  • Vertretung in Produkthaftungsfällen, z. B. bei Schäden durch schadhafte Produkte.
    • Beispiel: LG Hamburg, Urteil vom 25. Januar 2019, Az. 302 O 456/17 („Produkthaftung für Schadstoffe“).

4.3. Litigation

  • Vertretung vor Gerichten in Umwelt- und Produkthaftungsklagen.
    • Beispiel: EuGH, Urteil vom 21. Januar 2021, C-826/18 („Verstöße gegen Wasserrecht durch Chemikalienrückstände“).

4.4. Due Diligence

  • Prüfung von Unternehmenstransaktionen auf Altlasten und Chemikalienrecht-Compliance.

5. Konkrete Beispiele und Urteile

  1. Produkthaftung: Schadstoffbelastetes Spielzeug
    • Fall: Rückruf wegen gefährlicher Chemikalien.
    • Urteil: BGH, Urteil vom 9. März 2017, I ZR 123/15.
  2. Altlastensanierung: Bodenschutz
    • Fall: Verursacherpflicht bei kontaminiertem Grundstück.
    • Urteil: BGH, Urteil vom 28. Juni 2012, VII ZR 130/11.
  3. Vertragsstreit bei Chemikalienexporten
    • Fall: Export gefährlicher Stoffe ohne vorherige Zustimmung.
    • Urteil: EuGH, Urteil vom 7. März 2019, Rs. C-128/17.

6. Zukunft und Herausforderungen

6.1. Gesetzgeberische Entwicklungen

  • Umsetzung des EU-Programms „Fit for 55“ zur Förderung nachhaltiger Chemikalien.
  • Einführung strengerer Standards für Plastik und Mikroplastik.

6.2. Digitalisierung

  • Nutzung von Tools wie der SCIP-Datenbank zur Identifikation von Schadstoffen.

6.3. Anwaltliche Mitwirkung

  • Unterstützung bei der Einhaltung neuer Vorschriften und Durchsetzung von Umweltstandards.

Das Chemikalien- und Produkterecht verlangt von Anwälten Fachwissen in Chemie, Recht und Technik sowie die Fähigkeit, komplexe Sachverhalte zu bewerten und praktikable Lösungen zu entwickeln.