Das Vergaberecht regelt die Beschaffung öffentlicher Auftraggeber und bestimmter Sektorenauftraggeber, die im Bereich der Daseinsvorsorge tätig sind. In den Bereichen Umwelt, Klima und Energie kommt es zu besonderen Herausforderungen, da die Vergaben oft von regulatorischen, technischen und politischen Rahmenbedingungen beeinflusst werden. Zudem werden verstärkt Nachhaltigkeitskriterien berücksichtigt, die das Vergabeverfahren komplexer machen.
1. Rechtliche Grundlagen
Das Vergaberecht in den Bereichen Umwelt, Klima und Energie basiert auf einem mehrstufigen Regelungsrahmen:
a) Europäische Vorgaben
- Richtlinie 2014/24/EU (Vergaberichtlinie): Regelung für klassische öffentliche Aufträge.
- Richtlinie 2014/25/EU (Sektorenrichtlinie): Gilt für Energie- und Wasserversorgung sowie Verkehr.
- Richtlinie 2014/23/EU (Konzessionsvergaberichtlinie): Regelung für Vergabe von Konzessionen (z. B. für Energieversorgung).
- EU-Taxonomie-Verordnung (2020/852): Verpflichtet zur Berücksichtigung von Umwelt- und Klimaschutzaspekten.
b) Nationales Recht (Deutschland)
- Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB), Teil 4 (§§ 97 ff.): Grundsätze der Vergabe.
- Vergabeverordnung (VgV): Umsetzungsbestimmungen für EU-Vergaben.
- Sektorenverordnung (SektVO): Spezielle Regeln für Energie- und Wasserversorgung.
- Konzessionsvergabeverordnung (KonzVgV): Vergabe von Konzessionen für Strom-, Gas- und Wassernetze.
- Unterschwellenvergabeordnung (UVgO): Gilt für Vergaben unterhalb der EU-Schwellenwerte.
2. Vergabearten und Anwendungsbereiche
a) Umwelt und Klimaschutz
- Beispiel: Beschaffung von Elektrofahrzeugen für den kommunalen Fuhrpark.
- Hier kommt das offene Verfahren oder das Verhandlungsverfahren zum Einsatz.
- Nachhaltigkeitskriterien nach § 97 Abs. 3 GWB müssen berücksichtigt werden.
- Beispiel: Bau einer Hochwasserschutzanlage
- Vergabe als Bauauftrag (nach VgV oder UVgO).
- Umweltverträglichkeit muss geprüft werden (UVP-Gesetz).
b) Energie (Erzeugung, Netze, Versorgung)
- Beispiel: Vergabe einer Stromkonzession durch eine Kommune
- Vergabe nach KonzVgV durch wettbewerbliches Verfahren.
- Bieter müssen technische und wirtschaftliche Eignung nachweisen.
- Kriterien sind Preisgestaltung, Netzqualität und Nachhaltigkeit.
- Beispiel: Neubau eines Offshore-Windparks
- Vergabe als Konzession oder Dienstleistungsvertrag.
- Umweltauflagen (z. B. Schallschutz für Meereslebewesen) sind Teil des Verfahrens.
c) Energieeffizienz und erneuerbare Energien
- Beispiel: Lieferung und Installation von Solaranlagen auf öffentlichen Gebäuden
- Vergabe als Liefer- und Dienstleistungsvertrag (nach VgV oder UVgO).
- Zuschlagskriterien sind Qualität der Module, CO₂-Bilanz und Preis.
- Beispiel: Einführung eines kommunalen Energiemanagementsystems
- Kann über eine Rahmenvereinbarung ausgeschrieben werden.
- Ziel ist langfristige Verbesserung der Energieeffizienz.
3. Vergabeverfahren – Schritte bis zum Zuschlag
Ein Vergabeverfahren verläuft in mehreren Stufen:
Schritt 1: Bedarfsermittlung und Verfahrenswahl
- Festlegung, ob eine Bau-, Liefer- oder Dienstleistung benötigt wird.
- Bestimmung der Vergabeart (offenes Verfahren, Verhandlungsverfahren etc.).
Schritt 2: Erstellung der Vergabeunterlagen
- Festlegung der Eignungs- und Zuschlagskriterien.
- Integration von Umwelt- und Klimaschutzkriterien.
Schritt 3: Veröffentlichung der Ausschreibung
- EU-weite Veröffentlichung ab EU-Schwellenwerten (z. B. 5,538 Mio. € für Bauleistungen).
- Bei kleineren Projekten Veröffentlichung auf nationalen Vergabeplattformen.
Schritt 4: Angebotsphase und Bieterkommunikation
- Unternehmen reichen Angebote fristgerecht ein.
- Möglichkeit für Bieterfragen und Klarstellungen.
Schritt 5: Angebotsprüfung und Wertung
- Prüfung auf Vollständigkeit und Eignung der Bieter.
- Wertung nach vorher festgelegten Kriterien (Preis, Qualität, Nachhaltigkeit).
Schritt 6: Zuschlag und Vertragsabschluss
- Bekanntgabe des wirtschaftlichsten Angebots.
- Zuschlag erfolgt nach Ablauf der Stillhaltefrist (10 bis 15 Tage bei EU-Vergaben).
4. Rüge- und Nachprüfungsverfahren
Wenn ein Bieter mit der Vergabe nicht einverstanden ist, kann er Rechtsmittel einlegen.
a) Rüge
- Muss unverzüglich (innerhalb von 10-14 Tagen) erfolgen.
- Erfolgt schriftlich an die Vergabestelle.
- Beispiel: Ein Unternehmen rügt, dass sein Angebot unrechtmäßig ausgeschlossen wurde.
b) Nachprüfungsverfahren vor der Vergabekammer
- Falls die Vergabestelle die Rüge ablehnt, kann ein Nachprüfungsantrag bei der Vergabekammer des Bundes oder des Landes gestellt werden.
- Die Vergabekammer kann das Verfahren stoppen oder Änderungen anordnen.
Beispiel:
Ein Bieter stellt fest, dass ein Mitbewerber eine unzulässige Subvention erhalten hat und daher bevorzugt wurde. Nach Rüge lehnt die Vergabestelle eine Änderung ab, woraufhin der Bieter eine Nachprüfung beantragt.
c) Beschwerde zum Oberlandesgericht (OLG)
- Falls die Vergabekammer die Beschwerde ablehnt, kann das OLG als zweite Instanz angerufen werden.
- OLG-Entscheidungen sind für das Vergabeverfahren bindend.
5. Fazit und Handlungsempfehlungen
Das Vergaberecht in den Bereichen Umwelt, Klima und Energie ist stark reguliert und von Nachhaltigkeitskriterien geprägt.
Handlungsempfehlungen für Auftraggeber:
✔ Vergabeunterlagen klar formulieren und Umweltkriterien transparent einbinden.
✔ Verfahrensart sorgfältig wählen, um Rechtsstreitigkeiten zu vermeiden.
✔ Fairness im Verfahren gewährleisten, um Rügen und Nachprüfungen zu vermeiden.
Handlungsempfehlungen für Bieter:
✔ Vergabeunterlagen genau prüfen und gezielt Fragen stellen.
✔ Rügen rechtzeitig einlegen, um Chancen im Verfahren zu wahren.
✔ Umwelt- und Klimaschutzkriterien in Angebote integrieren, um bessere Chancen zu haben.
Durch eine strategische Herangehensweise können sowohl Auftraggeber als auch Bieter von den neuen Chancen im Vergaberecht für Umwelt, Klima und Energie profitieren.