Der EU AI Act, der bereits verabschiedet ist und in Kraft tritt, schafft einen einheitlichen Rechtsrahmen für Künstliche Intelligenz (KI) in der Europäischen Union. Im Umweltrecht fehlen jedoch spezifische Vorgaben für den Einsatz von KI, was rechtliche Unsicherheiten hinsichtlich Haftung, Überwachung und Transparenz verursacht. Der Einsatz von KI in diesem Bereich wird durch allgemeine rechtliche Regelungen, insbesondere Verwaltungs-, Datenschutz- und Produkthaftungsrecht, sowie durch die Vorgaben des EU AI Acts geregelt.
1. Der EU AI Act und seine Bedeutung für KI im Umweltrecht
1.1 Überblick über den EU AI Act
- Kategorisierung von KI-Systemen nach Risikoklassen:
- Unakzeptables Risiko:
- KI-Systeme, die gegen EU-Werte verstoßen (z. B. soziale Bewertungssysteme).
- Hohes Risiko:
- Systeme, die wesentliche Rechte oder die öffentliche Sicherheit betreffen.
- Umweltrelevante KI-Systeme, z. B. zur Überwachung oder Genehmigung von Projekten, fallen oft in diese Kategorie.
- Geringes Risiko:
- Systeme mit minimalen Risiken, z. B. Assistenzsysteme.
- Unakzeptables Risiko:
- Pflichten für KI-Betreiber und Entwickler:
- Transparenz- und Sicherheitsanforderungen.
- Risikoanalysen und Qualitätskontrollen, insbesondere für hochriskante Systeme.
- Pflicht zur Registrierung in einer zentralen EU-Datenbank für KI-Systeme.
- Anwendbarkeit im Umweltrecht:
- Der EU AI Act schafft einen verbindlichen Rahmen für KI-Anwendungen, die etwa bei Umweltüberwachung, Ressourcenmanagement oder UVP-Verfahren eingesetzt werden.
1.2 Auswirkungen auf KI im Umweltrecht
- Transparenzpflichten:
- Betreiber von KI-Systemen, die Umweltaspekte betreffen, müssen die Entscheidungsfindung der KI nachvollziehbar machen.
- Risikobewertung:
- KI-Systeme müssen getestet und zertifiziert werden, bevor sie in umweltrechtlichen Verfahren genutzt werden.
- Regelungen für hochriskante Anwendungen:
- KI, die Genehmigungen im Umweltrecht beeinflusst (z. B. bei der Prüfung von Industrieanlagen), unterliegt strengen Anforderungen an Genauigkeit und Datensicherheit.
2. Aktuelle rechtliche Situation: Keine spezifischen umweltrechtlichen Vorgaben für KI
2.1 Allgemeines Verwaltungsrecht
- Genehmigungsverfahren:
- KI-Systeme können in Verfahren nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz (BImSchG) oder dem Wasserhaushaltsgesetz (WHG) verwendet werden.
- Die Entscheidungen müssen jedoch weiterhin rechtsstaatlichen Anforderungen genügen, insbesondere den Prinzipien der Nachvollziehbarkeit (§ 39 VwVfG).
- Automatisierung im Verwaltungsverfahren:
- Automatisierte Entscheidungen sind im Verwaltungsrecht möglich, dürfen jedoch nicht die Einzelfallprüfung ersetzen (Art. 22 DSGVO, § 35a VwVfG).
2.2 Haftungsrecht
- Produkthaftung (ProdHaftG):
- Hersteller von KI-Systemen haften für Schäden, die durch fehlerhafte Algorithmen oder Daten entstehen.
- Beispiel:
- Ein KI-System liefert fehlerhafte Luftqualitätsdaten, die zu falschen Entscheidungen führen, z. B. der Nicht-Einleitung von Schutzmaßnahmen.
- Deliktsrecht (§ 823 BGB):
- Haftung für Schäden durch fahrlässige oder vorsätzliche Nutzung von KI, z. B. bei unzureichender Überwachung der Systeme.
3. Beispiele für KI im Umweltrecht
3.1 Überwachung von Umweltstandards
- KI zur Luft- und Wasserüberwachung:
- Beispiel: KI-Systeme zur Analyse von Luftschadstoffen oder zur Überwachung von Wasserqualitätsparametern.
- Fallbeispiel:
- Ein Unternehmen nutzt KI zur Überwachung von Abwasseremissionen. Fehlerhafte Sensordaten führen zu Überschreitungen von Schadstoffgrenzen, die nicht rechtzeitig erkannt werden.
3.2 Klimamodellierung und Emissionsüberwachung
- Fallbeispiel:
- Eine Behörde verwendet KI, um CO₂-Emissionen von Unternehmen zu überwachen und die Einhaltung der Klimaziele zu kontrollieren. Fehlerhafte Datensätze führen zu falschen Vorwürfen gegen ein Unternehmen.
- Haftungsfrage: Liegt die Verantwortung beim KI-Entwickler oder bei der Behörde?
4. Gerichtsurteile und relevante Rechtsfälle
4.1 Datenschutz und automatisierte Entscheidungen
- EuGH, Urteil vom 1. Oktober 2019, Az. C-673/17 (Planet49):
- Grundsatzentscheidung zur Einwilligung bei automatisierten Systemen. Wichtig für KI-Systeme, die personenbezogene Daten nutzen, z. B. bei der Überwachung von Emissionen.
- BGH, Urteil vom 16. Dezember 2021, Az. I ZR 152/20:
- Entscheidung zu Haftungsfragen bei der Nutzung automatisierter Systeme. Relevant für Betreiber von KI, die bei Fehlentscheidungen Schäden verursachen.
4.2 Produkthaftung und KI
- Fall: Staudamm-Überwachung durch KI (fiktiv):
- Ein KI-System, das einen Damm überwacht, erkennt ein Leck nicht rechtzeitig. Der Damm bricht, und es entstehen erhebliche Schäden.
- Streitpunkt: Wer haftet? Der Hersteller des KI-Systems oder die Betreiber des Damms?
5. Folgen der KI-Verwendung im Umweltrecht
5.1 Chancen
- Effizienz und Präzision:
- KI kann Umweltüberwachung und -durchsetzung effizienter gestalten, z. B. durch Echtzeit-Datenanalyse.
- Bessere Entscheidungsgrundlagen:
- KI kann komplexe Umweltzusammenhänge aufzeigen und zur evidenzbasierten Entscheidungsfindung beitragen.
- Förderung von Nachhaltigkeit:
- KI unterstützt die Optimierung von Ressourcenmanagement und Klimaschutzmaßnahmen.
5.2 Risiken
- Haftungsfragen:
- Die Verantwortung für KI-Fehler ist oft schwer zuzuordnen, insbesondere bei autonomen Systemen.
- Rechtsunsicherheit:
- Fehlende umweltrechtliche Vorgaben für KI führen zu Unsicherheiten bei der Anwendung.
- Black-Box-Problematik:
- Entscheidungen von KI-Systemen sind oft nicht nachvollziehbar, was die Rechtsstaatlichkeit gefährden kann.
6. Handlungsempfehlungen
- Klarstellung der Haftung:
- Gesetzliche Regelungen, die Verantwortlichkeiten zwischen Entwicklern, Betreibern und Nutzern klar definieren.
- Transparenz sicherstellen:
- KI-Systeme müssen nachvollziehbar sein, insbesondere bei ihrer Nutzung in umweltrechtlichen Verfahren.
- Spezifische Vorgaben für KI im Umweltrecht:
- Einführung rechtlicher Standards für den Einsatz von KI bei Genehmigungen, Überwachungen und Klimazielen.
- Schulungen und Kontrollen:
- Behörden sollten im Umgang mit KI geschult werden, um Risiken zu minimieren.
Folglich
Der EU AI Act bietet einen ersten rechtlichen Rahmen für die Verwendung von KI, einschließlich transparenter und sicherer Anwendungen im Umweltrecht. Dennoch fehlen spezifische Vorgaben für KI im Umweltrecht, was Herausforderungen bei Haftungsfragen und der Einhaltung rechtlicher Standards schafft. Die Einführung klarer Regeln und die Weiterentwicklung der Rechtsprechung sind entscheidend, um die Vorteile von KI für den Umweltschutz effektiv zu nutzen und gleichzeitig rechtliche Risiken zu minimieren.