Strombeschaffung

Die rechtlichen Rahmenbedingungen für die Strombeschaffung und das Portfoliomanagement sind vielschichtig und umfassen nationale Gesetze, EU-Richtlinien und internationale Vereinbarungen. Eine fundierte rechtliche Analyse ist essenziell, um Compliance sicherzustellen, rechtliche Risiken zu minimieren und wirtschaftliche Vorteile zu maximieren.


1. Rechtsrahmen für Strombeschaffung und Portfoliomanagement

a) Nationale Regelungen

1. Energiewirtschaftsgesetz (EnWG)

  • § 1 EnWG – Ziele der Energiepolitik:
    • Versorgungssicherheit, Wirtschaftlichkeit und Umweltverträglichkeit.
    • Verpflichtung zur diskriminierungsfreien Versorgung und Markttransparenz.
  • § 42 EnWG – Stromkennzeichnung:
    • Anbieter müssen den Anteil erneuerbarer Energien und fossiler Energien im Strommix offenlegen.
    • Herkunftsnachweise (HKNs) sind erforderlich, um Grünstrom auszuweisen.
  • §§ 20 ff. EnWG – Netzanschluss und Netznutzung:
    • Regelung des diskriminierungsfreien Netzzugangs für Stromkunden und Anbieter.
    • Netzbetreiber sind verpflichtet, die Durchleitung von Strom zu gewährleisten.

2. Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG)

  • Förderung von Strom aus erneuerbaren Energien durch Einspeisevergütungen und Marktprämien.
  • Direktvermarktungspflicht (§ 21 EEG):
    • Anlagenbetreiber ab einer bestimmten Größe müssen ihren Strom direkt vermarkten.
    • Verpflichtung zur Teilnahme am Markt und Einsatz von Managementprämien.

3. Stromsteuergesetz (StromStG)

  • Regelt die Besteuerung von Stromlieferungen.
  • Steuerbefreiung (§ 9 StromStG):
    • Steuervergünstigungen für Eigenerzeugung und bestimmte Unternehmen.

4. KWKG (Kraft-Wärme-Kopplungsgesetz)

  • Förderung von KWK-Anlagen und deren Integration in die Stromversorgung.
  • Zuschläge für KWK-Strom, der in das Netz eingespeist wird.

5. Markstammdatenregister

  • Registrierungspflicht für alle Akteure im Strommarkt, um Transparenz und Regulierung zu gewährleisten.

b) Europarechtliche Regelungen

1. EU-Strombinnenmarktrichtlinie (2019/944/EU)

  • Ziel: Harmonisierung des europäischen Strommarkts und Förderung erneuerbarer Energien.
  • Kundenrechte:
    • Wahlfreiheit bei der Strombeschaffung.
    • Zugang zu dynamischen Preismodellen (z. B. spotmarktbasierte Tarife).
  • Vorschriften für Netzbetreiber:
    • Verpflichtung zur Bereitstellung eines diskriminierungsfreien Netzzugangs.

2. Erneuerbare-Energien-Richtlinie (RED II, 2018/2001/EU)

  • Verpflichtung zur Förderung erneuerbarer Energien und Implementierung von Herkunftsnachweissystemen.
  • Einführung von Regeln für Power Purchase Agreements (PPAs) und Eigenverbrauch.

3. EU-Beihilferecht

  • Alle Fördermaßnahmen im Bereich erneuerbarer Energien müssen mit den EU-Beihilfevorschriften kompatibel sein.
  • Prüfung durch die Europäische Kommission, ob EEG-Förderungen oder nationale Beschaffungsstrategien den Wettbewerb nicht verzerren.

c) Internationale Regelungen

1. Pariser Klimaabkommen

  • Verpflichtung zur Reduktion der CO₂-Emissionen.
  • Förderung erneuerbarer Energien und nachhaltiger Beschaffungsmodelle.

2. WTO-Regeln

  • Sicherstellung, dass nationale Regelungen zur Strombeschaffung mit internationalen Handelsvorschriften kompatibel sind.

2. Vertragsrechtliche Aspekte

a) Power Purchase Agreements (PPAs)

PPAs sind langfristige Verträge zwischen Erzeugern (z. B. Wind- oder Solarparkbetreiber) und Verbrauchern (z. B. Unternehmen).

Rechtliche Anforderungen:

  1. Vertragstypen:
    • Physische PPAs: Lieferung von physischem Strom.
    • Virtuelle PPAs: Finanzieller Ausgleich ohne physische Lieferung.
  2. Rechtliche Prüfung:
    • Vertragliche Laufzeit, Preisklauseln und Ausstiegsmöglichkeiten.
    • Haftungsregelungen bei Lieferausfällen oder Nichterfüllung.
  3. Einhaltung regulatorischer Vorgaben:
    • HKNs zur Nachverfolgung der Herkunft.
    • Angabe von CO₂-Reduktionen in der Nachhaltigkeitsberichterstattung.

b) Stromlieferverträge

Stromlieferverträge zwischen Unternehmen und Lieferanten regeln Preise, Liefermengen und Zeiträume.

Rechtliche Schwerpunkte:

  1. Preisgestaltung:
    • Festpreise vs. Spotmarktpreise.
    • Indexierungsklauseln und Absicherungen gegen Marktpreisschwankungen.
  2. Lieferverpflichtungen:
    • Vereinbarungen zur Versorgungssicherheit.
    • Haftung bei Lieferunterbrechungen.
  3. Nachhaltigkeitsanforderungen:
    • Nachweis der Nachhaltigkeit durch Zertifikate (z. B. TÜV, Grüner Strom-Label).

c) Direktvermarktungsverträge

Regeln die Vermarktung von erneuerbarem Strom an der Börse oder über private Abnehmer.

Wesentliche Vertragsinhalte:

  • Abnahmeverpflichtungen für Grünstrom.
  • Vergütungssysteme (Marktprämie, Differenzverträge).

d) Netzanschlussverträge

Netzanschlussverträge sind essenziell für die Einspeisung von Strom aus Eigenerzeugung oder für die Versorgung.

Rechtliche Aspekte:

  1. Pflichten des Netzbetreibers:
    • Sicherstellung des Anschlusses an das Netz.
    • Diskriminierungsfreier Zugang zu den Netzen gemäß EnWG.
  2. Pflichten des Anschlussnehmers:
    • Einhaltung technischer Standards (z. B. Spannungsebene, Frequenz).

3. Regulatorische Risiken und Streitpunkte

a) Regulierungsaufsicht

  • Zuständigkeit der Bundesnetzagentur (BNetzA) für die Überwachung des Strommarkts.
  • Überprüfung von Netzentgelten, Einspeiseregelungen und diskriminierungsfreiem Zugang.

b) Haftung

  1. Lieferausfall:
    • Haftung des Lieferanten bei Nichtlieferung oder Unterbrechungen.
    • Möglichkeiten der Absicherung durch vertragliche Klauseln.
  2. Preisrisiken:
    • Schwankungen an den Energiemärkten und deren Auswirkungen auf Festpreis- oder Tranchenmodelle.

c) Streitigkeiten

  • Häufige Konflikte betreffen:
    • Netzanschlusskosten und Zugangsvoraussetzungen.
    • Vertragsklauseln in PPAs und Lieferverträgen (z. B. Preisanpassungen).
    • Missbrauch von Marktpositionen durch Netzbetreiber.

4. Nachhaltigkeit und Compliance

a) Grünstromnachweise

  • Herkunftsnachweise (HKNs) sind zwingend erforderlich für die Deklaration von Grünstrom.
  • Verstöße gegen Transparenzanforderungen (§ 42 EnWG) können rechtliche Konsequenzen haben.

b) Emissionshandelsrecht

  • Unternehmen müssen sicherstellen, dass sie die Anforderungen des Europäischen Emissionshandels (EU ETS) einhalten.
  • Rechtliche Verpflichtung zur Integration von CO₂-Kosten in Beschaffungsstrategien.

5. Leistungen unserer Kanzlei im Bereich Strombeschaffung

a) Vertragsrecht

  • Gestaltung, Prüfung und Verhandlung von Stromlieferverträgen, PPAs und Netzanschlussverträgen.
  • Sicherstellung rechtlicher Absicherung gegen Risiken wie Lieferausfälle oder Preisschwankungen.

b) Regulatorische Beratung

  • Unterstützung bei der Einhaltung von Vorschriften gemäß EnWG, EEG und EU-Richtlinien.
  • Vertretung vor Regulierungsbehörden (z. B. Bundesnetzagentur) bei Streitigkeiten oder Antragsverfahren.

c) Compliance und Nachhaltigkeit

  • Beratung zur rechtssicheren Nutzung von Herkunftsnachweisen und Nachweispflichten.
  • Unterstützung bei der Einhaltung von Nachhaltigkeitsstandards und Klimaberichtspflichten.

Ein rechtlich fundiertes Strom-Beschaffungskonzept und ein durchdachtes Portfoliomanagement sind essenziell, um Risiken zu minimieren und wirtschaftliche sowie regulatorische Vorteile zu sichern. Unsere Kanzlei kann Mandanten dabei unterstützen, die komplexen rechtlichen Rahmenbedingungen zu verstehen, Verträge abzusichern und Strategien rechtskonform umzusetzen.