Das Treibhausgas-Emissionshandelsgesetz (TEHG) ist die zentrale gesetzliche Grundlage für den Emissionshandel in Deutschland. Es setzt die europäischen Vorgaben zur Reduktion von Treibhausgasen (THG) im Rahmen des EU-Emissionshandelssystems (EU ETS) um. Ziel ist es, durch einen marktbasierten Ansatz die Treibhausgasemissionen effizient und kostengünstig zu reduzieren.
I. Grundlagen und Zielsetzung
Das TEHG wurde 2004 erlassen und mehrfach überarbeitet, zuletzt 2019 zur Anpassung an die vierte Handelsperiode des EU ETS (2021–2030). Es basiert auf der EU-Emissionshandelsrichtlinie (2003/87/EG), die als zentrales Instrument der EU-Klimapolitik fungiert.
1. Zielsetzung
- Reduktion von Treibhausgasemissionen in energieintensiven Sektoren (z. B. Energie, Industrie, Luftverkehr).
- Schaffung eines marktwirtschaftlichen Anreizes zur Investition in klimafreundliche Technologien.
- Erfüllung internationaler Klimaverpflichtungen, wie sie im Pariser Abkommen und im Kyoto-Protokoll festgelegt sind.
2. Funktionsweise des Emissionshandels
- Unternehmen erhalten eine bestimmte Menge an Emissionszertifikaten, die ihre CO₂-Emissionen decken müssen.
- Überschüssige Zertifikate können gehandelt werden; bei zu hohen Emissionen müssen zusätzliche Zertifikate erworben werden.
- Der Preis für Zertifikate richtet sich nach Angebot und Nachfrage.
II. Regelungsinhalte des TEHG
1. Anwendungsbereich (§ 2 TEHG)
- Das TEHG gilt für:
- Anlagenbetreiber: Insbesondere im Energie- und Industriesektor, wie Kraftwerke, Zementwerke und Raffinerien.
- Luftverkehrsbetreiber: Seit 2012 auch für innereuropäische Flüge.
- Abgedeckte Treibhausgase: Hauptsächlich Kohlendioxid (CO₂), in bestimmten Fällen auch Methan (CH₄) und Lachgas (N₂O).
2. Zuteilung von Emissionszertifikaten (§§ 9–10 TEHG)
- Kostenlose Zuteilung: Bestimmte Sektoren (z. B. Stahlindustrie) erhalten aufgrund der Gefahr der „Carbon Leakage“ (Abwanderung emissionsintensiver Unternehmen in Länder ohne vergleichbare Regulierung) kostenfreie Zertifikate.
- Versteigerung: Der Großteil der Zertifikate wird versteigert, insbesondere im Energiesektor.
3. Verpflichtungen der Anlagenbetreiber (§§ 5–6 TEHG)
- Emissionsüberwachung: Betreiber müssen die Emissionen ihrer Anlagen überwachen und melden. Die Überwachung erfolgt auf Grundlage der EU-Monitoring-Verordnung.
- Abgabe von Zertifikaten: Betreiber müssen jährlich Zertifikate in Höhe ihrer tatsächlichen Emissionen abgeben.
4. Sanktionen (§ 18 TEHG)
- Bußgelder: Bei Nichteinhaltung der Abgabepflicht wird ein Bußgeld von 100 Euro pro fehlendem Zertifikat erhoben (Art. 16 EU-Emissionshandelsrichtlinie).
- Zusätzliche Maßnahmen: Behörden können bei Verstößen den Betrieb einer Anlage untersagen.
5. Überwachung und Kontrolle (§ 19 TEHG)
- Zuständig sind die Deutsche Emissionshandelsstelle (DEHSt) und das Umweltbundesamt (UBA).
- Die Behörden prüfen Emissionsberichte und die ordnungsgemäße Abgabe von Zertifikaten.
III. Bedeutung der Handelsperioden
Der EU-Emissionshandel ist in Handelsperioden unterteilt, die schrittweise verschärfte Reduktionsziele vorsehen:
1. Erste Handelsperiode (2005–2007)
- Pilotphase mit kostenfreier Zuteilung von Zertifikaten.
- Fokus auf Energie- und Industriesektoren.
2. Zweite Handelsperiode (2008–2012)
- Integrierte Ziele des Kyoto-Protokolls.
- Einführung flexibler Mechanismen wie Joint Implementation (JI) und Clean Development Mechanism (CDM).
3. Dritte Handelsperiode (2013–2020)
- Einführung eines EU-weiten Zuteilungssystems anstelle nationaler Allokationspläne.
- Zunehmende Versteigerung von Zertifikaten.
4. Vierte Handelsperiode (2021–2030)
- Einführung eines Marktstabilitätsmechanismus (MSR) zur Vermeidung von Preisschwankungen.
- Reduktion der Zertifikate um 2,2 % pro Jahr.
IV. Rechtliche Herausforderungen und Streitfragen
1. Carbon Leakage
- Problem: Unternehmen in Sektoren mit hohen Emissionen könnten aufgrund strenger Klimaschutzvorgaben in Länder ohne vergleichbare Regelungen abwandern.
- Lösung im TEHG: Kostenlose Zuteilung von Zertifikaten für betroffene Branchen.
- Urteil: EuGH, Rs. T-370/11 („Cementa AB“)
Kostenfreie Zuteilungen müssen objektiven Kriterien entsprechen.
- Urteil: EuGH, Rs. T-370/11 („Cementa AB“)
2. Luftverkehr
- Herausforderung: Internationale Kritik an der Einbeziehung des Luftverkehrs in den Emissionshandel.
- Urteil: EuGH, Rs. C-366/10 („Air Transport Association of America“)
Die Einbeziehung des Luftverkehrs in das EU-ETS ist mit internationalem Recht vereinbar.
- Urteil: EuGH, Rs. C-366/10 („Air Transport Association of America“)
3. Marktmanipulation
- Beispiel: Unregelmäßigkeiten bei der Vergabe oder dem Handel von Zertifikaten.
- Regelung: Verstärkte Überwachung durch die DEHSt.
V. Beispiele und Praxisanwendung
1. Ausbau erneuerbarer Energien
- Der steigende Preis für Emissionszertifikate erhöht die Kosten fossiler Energiequellen und schafft Anreize für erneuerbare Energien.
2. Industrieanpassung
- Beispiel: Stahlwerke investieren in Wasserstofftechnologie, um emissionsfreie Prozesse zu etablieren.
3. Internationale Kooperation
- Beispiel: Verknüpfung des EU-ETS mit anderen Systemen, wie dem Schweizer Emissionshandelssystem (seit 2020).
VI. Rechtsprechung und Urteile
1. Nationale Umsetzungen
- BVerwG, Urt. v. 30. Juni 2011 – 7 C 10.10
Der Plan zur Zuteilung von Emissionszertifikaten für deutsche Kraftwerke wurde bestätigt, da er mit der EU-Richtlinie vereinbar war.
2. Europäische Streitigkeiten
- *EuGH, Rs. C-203/12 („Billerud“)
Die EU-Zuteilungssysteme dürfen keine ungerechtfertigten Vorteile für bestimmte Unternehmen schaffen.
VII. Perspektiven
- Ausweitung des Emissionshandels
- Einführung eines separaten Systems für Gebäude und Verkehr (ETS2) ab 2027.
- Zunehmende Preise
- Erwartung steigender Zertifikatspreise, was zusätzliche Anreize für Investitionen in klimafreundliche Technologien schafft.
- Globaler Emissionshandel
- Langfristiges Ziel: Schaffung eines globalen Emissionshandelssystems.
Das TEHG ist ein zentrales Instrument der deutschen und europäischen Klimapolitik. Es schafft marktwirtschaftliche Anreize für die Reduktion von Treibhausgasen, steht aber auch vor Herausforderungen, insbesondere in Bezug auf Wettbewerbsfähigkeit und soziale Gerechtigkeit.