Die Richtlinie (EU) 2018/2001 zur Förderung der Nutzung von Energie aus erneuerbaren Quellen, allgemein als RED II bezeichnet, ist ein zentraler Bestandteil der europäischen Energie- und Klimapolitik. Sie wurde am 11. Dezember 2018 verabschiedet und bildet den Rahmen für den Ausbau erneuerbarer Energien in der EU bis 2030. Die RED II ersetzt die ursprüngliche Erneuerbare-Energien-Richtlinie (RED I) aus dem Jahr 2009 und ist ein Kernstück des EU-„Clean Energy for All Europeans“-Pakets.
1. Ziele der RED II
Die RED II verfolgt folgende übergeordnete Ziele:
- Erhöhung des Anteils erneuerbarer Energien: Bis 2030 soll mindestens 42,5 % des Endenergieverbrauchs der EU aus erneuerbaren Energien stammen.
- Vereinheitlichung der Regelungen: Schaffung eines einheitlichen Rechtsrahmens für erneuerbare Energien in allen Sektoren (Strom, Wärme, Verkehr).
- Förderung von Innovationen: Anreize für die Entwicklung neuer Technologien und Geschäftsmodelle.
- Klimaschutz: Beitrag zur Erreichung der EU-Klimaziele, insbesondere der Reduktion von Treibhausgasemissionen um mindestens 55 % bis 2030.
2. Rechtscharakter der RED II
Die RED II ist eine EU-Richtlinie, die für alle Mitgliedstaaten verbindlich ist. Allerdings legt sie lediglich Ziele und Rahmenbedingungen fest, die auf nationaler Ebene durch Gesetze und Maßnahmen umgesetzt werden müssen. Deutschland hat die RED II hauptsächlich durch Änderungen des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) sowie anderer energiepolitischer Gesetze integriert.
3. Zentrale Inhalte der RED II
a) Ausbauziele für erneuerbare Energien
- Gesamtziel: Erhöhung des Anteils erneuerbarer Energien auf mindestens 42,5 % am Endenergieverbrauch der EU bis 2030.
- Sektorale Ziele:
- Elektrizität: Verstärkter Ausbau von Solar- und Windenergie.
- Wärme und Kälte: Jährliche Erhöhung des Anteils erneuerbarer Energien um 1,1 %.
- Verkehr: Bis 2030 soll mindestens 14 % des Endenergieverbrauchs im Verkehrssektor aus erneuerbaren Quellen stammen.
b) Fördersysteme für erneuerbare Energien
- Die Mitgliedstaaten können nationale Fördersysteme einführen, wie z. B. Einspeisetarife, Marktprämien oder Ausschreibungen.
- Förderung soll marktintegriert und technologieoffen erfolgen.
- Besonderheit: Möglichkeit zur grenzüberschreitenden Förderung, um den EU-weiten Handel mit erneuerbaren Energien zu stärken.
c) Strommarktintegration
- Erneuerbare Energien sollen besser in die Strommärkte integriert werden.
- Abschaffung von Marktverzerrungen: Subventionierte erneuerbare Energien müssen marktkonform eingespeist werden.
- Einführung von Stromabnahmeverträgen (Power Purchase Agreements, PPAs), um den Ausbau durch private Investitionen zu fördern.
d) Nachhaltigkeitsanforderungen
- Einführung strengerer Nachhaltigkeitskriterien für Biokraftstoffe, Biomasse und Biogas:
- Biokraftstoffe: Mindestens 65 % weniger Treibhausgasemissionen als fossile Brennstoffe.
- Biomasse: Anforderungen an nachhaltige Forstwirtschaft und minimale Umweltauswirkungen.
- Ausschluss von hochriskanten Biokraftstoffen wie Palmöl, die zur Abholzung von Regenwäldern beitragen.
e) Förderung erneuerbarer Energien im Verkehr
- Einführung eines „Advanced Biofuels“-Ziels: Mindestens 3,5 % des Kraftstoffverbrauchs bis 2030 aus fortschrittlichen Biokraftstoffen, wie Algen oder Abfallstoffen.
- Elektrifizierung des Verkehrs: Erhöhung des Anteils von Strom aus erneuerbaren Quellen, insbesondere im Schienen- und Straßenverkehr.
f) Bürgerbeteiligung und Dezentralisierung
- Förderung von Energiegenossenschaften und Energiegemeinschaften.
- Ermöglichung von Eigenverbrauch und Erleichterung der Errichtung von Photovoltaikanlagen auf Gebäuden.
4. Umsetzung der RED II in Deutschland
Die RED II wurde in Deutschland vor allem durch Änderungen des EEG 2021, des Kraft-Wärme-Kopplungsgesetzes (KWKG) und des Energiesicherungsgesetzes umgesetzt.
a) Änderungen im EEG
- Einführung von technologiespezifischen Ausschreibungen, z. B. für Windenergie an Land und Photovoltaik.
- Förderung von Mieterstrommodellen.
- Innovationsausschreibungen: Förderung hybrider Projekte, z. B. Kombination aus Solar und Speichertechnologien.
b) Änderungen im Verkehrssektor
- Umsetzung des 14 %-Ziels für erneuerbare Energien im Verkehr durch die Erhöhung der Treibhausgasminderungsquote (THG-Quote).
- Förderung von E-Mobilität und Ladeinfrastruktur.
5. Herausforderungen und Kritik
a) Unterschiedliche nationale Umsetzungen
- Die RED II erlaubt den Mitgliedstaaten erhebliche Flexibilität bei der Umsetzung, was zu Uneinheitlichkeit führen kann.
- Mangelnde Koordination erschwert den EU-weiten Handel mit erneuerbaren Energien.
b) Finanzierungsprobleme
- Die Förderung erneuerbarer Energien erfordert hohe Investitionen, die nicht in allen Mitgliedstaaten gleichermaßen verfügbar sind.
c) Nachhaltigkeitskritik
- Trotz strengerer Nachhaltigkeitskriterien gibt es Bedenken hinsichtlich der Umweltauswirkungen bestimmter Biomasse- und Biokraftstoffprojekte.
6. Relevante Gerichtsurteile zur RED II
a) Europäischer Gerichtshof (EuGH)
- Urteil vom 28.03.2019, Az. C-405/16: Nationale Fördersysteme für erneuerbare Energien müssen EU-rechtskonform sein und dürfen den freien Energiehandel nicht behindern.
- Urteil vom 15.11.2021, Az. C-177/20: Mitgliedstaaten müssen die Nachhaltigkeitsanforderungen der RED II konsequent umsetzen, insbesondere bei der Nutzung von Biomasse.
7. Zukunft der RED II
a) Überarbeitung zur RED III
- Im Rahmen des Fit-for-55-Pakets hat die Europäische Kommission eine Überarbeitung der RED II vorgeschlagen:
- Erhöhung des Gesamtziels auf 45 % erneuerbare Energien bis 2030.
- Einführung verbindlicher sektoraler Ausbauziele, z. B. für die Industrie und den Gebäudesektor.
b) Integration neuer Technologien
Die RED II ist ein zentraler Bestandteil der europäischen Klimapolitik und schafft einen einheitlichen Rechtsrahmen für den Ausbau erneuerbarer Energien.