Grünstrom ist ein zentraler Baustein der Energiewende und ein entscheidender Faktor zur Erreichung nationaler, europäischer und internationaler Klimaziele. Der Begriff umfasst nicht nur die physische Erzeugung von Strom aus erneuerbaren Energiequellen, sondern auch die rechtlichen, wirtschaftlichen und technischen Rahmenbedingungen, die dessen Nutzung, Nachweis und Handel regeln.
1. Begriff und Charakteristika von Grünstrom
a) Definition
- Grünstrom bezeichnet elektrische Energie, die aus erneuerbaren Energiequellen wie Wind, Sonne, Wasser, Biomasse oder Geothermie erzeugt wird.
- Als „grün“ gilt Strom dann, wenn die Erzeugungsquelle nachweislich erneuerbar ist und dies durch Herkunftsnachweise (HKNs) dokumentiert wird.
b) Eigenschaften
- Nachhaltigkeit: Minimale Umweltauswirkungen während der Erzeugung.
- Unabhängigkeit: Reduktion der Abhängigkeit von fossilen Energieträgern.
- Flexibilität: Integration in verschiedene Energiesysteme und Nutzung für Sektorkopplung (z. B. Strom, Wärme, Verkehr, Industrie).
2. Rechtsrahmen für Grünstrom
Das regulatorische Umfeld für Grünstrom wird durch nationale, europäische und internationale Regelungen geprägt.
a) Nationale Ebene
- Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG):
- Förderung des Ausbaus erneuerbarer Energien.
- Finanzierung über die EEG-Umlage, die seit 2022 im Bundeshaushalt verankert ist.
- Differenzierung zwischen Einspeisevergütungen, Marktprämien und Ausschreibungen.
- Energiewirtschaftsgesetz (EnWG):
- Verpflichtung zur Stromkennzeichnung (§ 42 EnWG), einschließlich der Darstellung des Anteils erneuerbarer Energien im Strommix.
- Regelungen zur Integration erneuerbarer Energien in den Markt.
- Kraft-Wärme-Kopplungsgesetz (KWKG):
- Förderung von Anlagen, die Grünstrom und Wärme gleichzeitig erzeugen.
- Herkunftsnachweisregister (HKN):
- Verwaltung durch die Bundesnetzagentur.
- Dient der Ausstellung, Übertragung und Löschung von Nachweisen zur Herkunft von Grünstrom.
b) Europarechtliche Ebene
- Erneuerbare-Energien-Richtlinie (RED II, 2018/2001/EU):
- Ziel: Anteil erneuerbarer Energien in der EU auf mindestens 42,5 % des Endenergieverbrauchs bis 2030 zu erhöhen.
- Einführung harmonisierter Herkunftsnachweissysteme.
- Strombinnenmarktrichtlinie (2019/944/EU):
- Verpflichtung zur vollständigen Transparenz bei der Stromkennzeichnung.
- Förderung von Eigenverbrauchsmodellen und Energiegemeinschaften.
- Europäischer Green Deal:
- Stärkung der Position von Grünstrom durch Dekarbonisierung der europäischen Wirtschaft.
- Förderung der Integration erneuerbarer Energien in Industrie, Verkehr und Gebäude.
c) Internationale Ebene
- Pariser Klimaabkommen (2015):
- Verpflichtung zur Reduktion der CO₂-Emissionen.
- Förderung erneuerbarer Energien als wesentliche Maßnahme zur Erreichung der Klimaziele.
- EECS-Standard (European Energy Certificate System):
- Harmonisierung der Herkunftsnachweissysteme innerhalb Europas, um den grenzüberschreitenden Handel mit Grünstrom zu erleichtern.
3. Quellen von Grünstrom
Grünstrom wird aus folgenden erneuerbaren Energiequellen gewonnen:
a) Windenergie
- Onshore-Windkraft: Erzeugung an Land; technologisch ausgereift und kostengünstig.
- Offshore-Windkraft: Höhere Erzeugungskapazität, aber teurere Infrastruktur.
b) Solarenergie
- Photovoltaik: Umwandlung von Sonnenstrahlen in elektrische Energie; modular skalierbar.
- Solarthermie: Nutzung der Sonnenenergie zur Wärmegewinnung, mit nachgeschalteter Stromerzeugung.
c) Wasserkraft
- Laufwasserkraftwerke: Konstante Stromerzeugung durch Fließgewässer.
- Speicherkraftwerke: Flexibler Einsatz zur Netzstabilisierung.
d) Biomasse
- Erzeugung durch organische Stoffe wie Holz, Abfälle oder Pflanzenöle.
- Vorteile: Grundlastfähigkeit und kombinierte Wärme- und Stromerzeugung.
e) Geothermie
- Nutzung der Erdwärme zur Stromerzeugung; geringe Emissionen und hohe Versorgungssicherheit.
4. Nachweis und Handel von Grünstrom
a) Herkunftsnachweise (HKNs)
- Funktion: Nachweis, dass eine MWh Strom aus erneuerbaren Energiequellen stammt.
- Verwaltung: In Deutschland durch die Bundesnetzagentur; international durch die Association of Issuing Bodies (AIB).
- Löschung: HKNs werden nach Verwendung gelöscht, um Doppelverwendungen zu verhindern.
b) Handelsmechanismen
- Direktvermarktung:
- Erzeuger vermarkten ihren Strom selbst an der Börse oder an Großkunden.
- Häufig kombiniert mit der Marktprämie (EEG).
- Power Purchase Agreements (PPAs):
- Langfristige Verträge zwischen Erzeugern und Abnehmern, die Grünstrom direkt beziehen.
- Strombörsen:
- Handel von Grünstrom und Zertifikaten auf Plattformen wie der European Energy Exchange (EEX).
5. Grünstrom und Stromkennzeichnung
a) Gesetzliche Anforderungen
- Gemäß § 42 EnWG müssen Stromanbieter den Anteil erneuerbarer Energien in ihrem Strommix ausweisen.
- HKNs dienen als Grundlage für die Stromkennzeichnung.
b) Verbraucheranreize
- Grünstromprodukte ermöglichen Privatpersonen und Unternehmen, aktiv zum Klimaschutz beizutragen.
- Zertifikate wie das Grüner Strom-Label oder TÜV-Zertifizierungen garantieren die Qualität und Transparenz von Grünstromtarifen.
6. Herausforderungen und Kritik
a) Greenwashing
- Kritiker bemängeln, dass Anbieter durch den bloßen Kauf von HKNs fossilen oder nuklearen Strom als „grün“ deklarieren können, ohne physisch erneuerbare Energien zu beziehen.
b) Netzausbau
- Der Ausbau erneuerbarer Energien erfordert eine stärkere Infrastruktur zur Integration dezentraler Stromquellen.
c) Marktpreisvolatilität
- Schwankende Preise für Strom und HKNs erschweren die Planungssicherheit für Anbieter und Verbraucher.
7. Zukunftsperspektiven für Grünstrom
a) Integration in neue Technologien
- Sektorkopplung: Nutzung von Grünstrom zur Dekarbonisierung des Wärme- und Verkehrssektors (z. B. Elektromobilität, grüner Wasserstoff).
- Blockchain: Einsatz zur sicheren Nachverfolgung von Grünstrom.
b) Internationale Harmonisierung
- Weiterentwicklung einheitlicher Standards für HKNs und Zertifikate.
- Ausbau des grenzüberschreitenden Handels.
c) Dekarbonisierung der Industrie
- Zunehmende Nachfrage nach Grünstrom durch Unternehmen, die ihre CO₂-Bilanz verbessern wollen.
8. Leistungen unserer Kanzlei im Bereich Grünstrom
a) Beratung
- Unterstützung bei der Registrierung von Anlagen für HKNs.
- Beratung zur Umsetzung von Grünstromprojekten, z. B. durch PPAs oder Direktvermarktung.
b) Vertragsgestaltung
- Erstellung von Stromlieferverträgen, Handelsverträgen und PPAs.
- Vertragsmanagement für grenzüberschreitenden Handel mit HKNs.
c) Prozessvertretung
- Vertretung in Streitigkeiten über Herkunftsnachweise, Vertragsklauseln oder Stromkennzeichnung.
Grünstrom ist ein Eckpfeiler der Energiewende und der globalen Klimaschutzbemühungen. Ein fundiertes Verständnis der rechtlichen, technischen und wirtschaftlichen Aspekte ermöglicht es Unternehmen, Chancen optimal zu nutzen und rechtliche Risiken zu minimieren. Unsere Kanzlei kann Mandanten umfassend bei der Umsetzung von Grünstromprojekten, der Marktintegration und der rechtlichen Absicherung unterstützen.