Das Wasserstoffrecht ist ein aufstrebendes und komplexes Rechtsgebiet, das durch die Energiewende und die Klimaschutzverpflichtungen stark an Bedeutung gewinnt. Es umfasst sämtliche Regelungen, die die Erzeugung, Speicherung, Transport, Nutzung und Förderung von Wasserstoff betreffen. Die Herausforderungen bestehen nicht nur in der rechtlichen Integration von Wasserstoff in bestehende Systeme, sondern auch in der Schaffung eines rechtssicheren und wirtschaftlich attraktiven Markts für diesen Energieträger.
1. Rolle und Bedeutung von Wasserstoff
a) Klimapolitische Bedeutung
- Wasserstoff ist ein zentraler Baustein der Dekarbonisierung, insbesondere in schwer elektrifizierbaren Sektoren wie Stahlindustrie, Chemie, Schiffs- und Luftverkehr.
- Grüner Wasserstoff, der aus erneuerbaren Energien hergestellt wird, unterstützt die Erreichung der Ziele des Pariser Klimaabkommens.
b) Strategische Bedeutung
- Nationale und europäische Wasserstoffstrategien sehen Wasserstoff als Bindeglied zwischen den Sektoren Strom, Wärme, Mobilität und Industrie (Sektorkopplung).
- Wasserstoff ermöglicht die Speicherung von überschüssigem Grünstrom und die Nutzung in Zeiten hoher Nachfrage.
2. Rechtsrahmen für Wasserstoff
a) Nationale Regelungen (Deutschland)
1. Energiewirtschaftsgesetz (EnWG)
- Definition und Einordnung:
- Wasserstoff wird als Energieträger betrachtet, unterliegt jedoch nicht in vollem Umfang den Regeln des regulierten Gasmarkts.
- § 28b EnWG eröffnet die Möglichkeit der Regulierung von Wasserstoffnetzen.
- Netzinfrastruktur:
- Netzbetreiber können Wasserstoffnetze als regulierte Netze betreiben, wenn die Bundesregierung dies anordnet.
- Diskriminierungsfreier Zugang gemäß § 20 EnWG.
2. Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG)
- EEG-Umlagebefreiung: Grüner Wasserstoff, der aus erneuerbaren Energien erzeugt wird, kann von der EEG-Umlage befreit werden (§ 69b EEG).
- Anreize zur Wasserstoffproduktion:
- Fördermöglichkeiten für Elektrolyseure, die mit erneuerbaren Energien betrieben werden.
3. Bundes-Immissionsschutzgesetz (BImSchG)
- Genehmigungspflichten für Anlagen zur Wasserstoffproduktion und -speicherung.
- Anforderungen an den Betrieb sicherheitsrelevanter Anlagen (§§ 4, 5 BImSchG).
4. Energiesteuergesetz (EnergieStG)
- Reduzierte Energiesteuer für Wasserstoff, der als Kraftstoff eingesetzt wird (§ 2 Abs. 3 EnergieStG).
5. Wasserstoffspezifische Sicherheitsvorschriften
- Technische und sicherheitstechnische Anforderungen an Lagerung, Transport und Verarbeitung gemäß Produktsicherheitsgesetz (ProdSG) und Gefahrstoffrecht.
6. Verkehrsrecht
- Zulassung von Fahrzeugen mit Wasserstoffantrieb und Regelungen für Wasserstofftankstellen gemäß Straßenverkehrsrecht.
b) Europäische Regelungen
1. EU-Gasmarktpaket
- Erweiterung des regulierten Markts auf Wasserstoff:
- Verpflichtung zu einem diskriminierungsfreien Zugang zu Wasserstoffinfrastrukturen.
- Einführung einer europäischen Zertifizierung für grünen Wasserstoff.
2. Erneuerbare-Energien-Richtlinie (RED II, 2018/2001/EU)
- Definition von grünem Wasserstoff als „erneuerbarer Kraftstoff nicht-biologischen Ursprungs“ (RFNBO).
- Ziel: Mindestens 50 % erneuerbarer Wasserstoff in der Industrie bis 2030.
3. Beihilferecht
- IPCEI-Projekte (Important Projects of Common European Interest):
- Förderung groß angelegter Wasserstoffprojekte durch staatliche Mittel.
- Vereinbarkeit mit den Regeln des EU-Beihilferechts (Art. 107 AEUV).
4. Netzkodizes
- Festlegung von technischen Anforderungen an Wasserstoffnetze und Speichersysteme.
c) Internationale Regelungen
1. Pariser Klimaabkommen
- Verpflichtung zur Reduzierung der CO₂-Emissionen auch durch Wasserstoffprojekte.
2. Energy Charter Treaty (ECT)
- Schutz von Investitionen in Wasserstofftechnologien und Infrastruktur.
- Mechanismen zur Streitbeilegung bei staatlichen Eingriffen.
3. Internationale Standards
- ISO-Normen:
- ISO 14687: Anforderungen an die Wasserstoffqualität.
- ISO 16110: Sicherheitsanforderungen für Wasserstoffproduktionsanlagen.
3. Infrastruktur für Wasserstoff
a) Netzinfrastruktur
- Rechtliche Herausforderungen:
- Integration von Wasserstoff in bestehende Erdgasnetze (Umwidmung von Gasleitungen).
- Aufbau von reinen Wasserstoffnetzen.
- Diskriminierungsfreier Zugang:
- Verpflichtung der Netzbetreiber zur Gleichbehandlung aller Nutzer.
- Rechtsgrundlage: § 20 EnWG, EU-Netzkodizes.
b) Speicherung
- Wasserstoffspeicher unterliegen den Anforderungen des Bergrechts und des BImSchG.
- Sicherheitsanforderungen an Untergrundspeicher (z. B. Kavernen).
c) Transport
- Wasserstoff als Gefahrgut gemäß dem ADR-Abkommen.
- Rechtsfragen beim grenzüberschreitenden Transport.
4. Marktmechanismen und Zertifizierung
a) Wasserstoffzertifikate
- Einführung von Zertifikaten zur Nachverfolgung der Herkunft von grünem Wasserstoff.
- Rechtsgrundlage: RED II, nationale Umsetzung im EEG.
b) Marktentwicklung
- Förderung eines marktbasierten Systems für den Handel mit Wasserstoff.
- Einführung von Plattformen zur Vereinfachung von Angebot und Nachfrage.
5. Umweltrechtliche Aspekte
a) Emissionsvorgaben
- Wasserstoffproduktionsanlagen müssen die Anforderungen an CO₂-Emissionen erfüllen (BImSchG, RED II).
b) Recycling und Abfallrecht
- Wiederverwendung und Entsorgung von Wasserstoffkomponenten, z. B. Brennstoffzellen.
6. Förder- und Finanzierungsmöglichkeiten
a) Nationale Förderungen
- Nationale Wasserstoffstrategie (2020):
- Fokus auf grünen Wasserstoff.
- Förderprogramme für Elektrolyseure, Wasserstofftankstellen und Infrastruktur.
- KfW-Förderprogramme:
- Kredite und Zuschüsse für Wasserstoffprojekte.
b) Europäische Förderprogramme
- Horizon Europe:
- Förderung von Forschung und Entwicklung im Bereich Wasserstoff.
- CEF (Connecting Europe Facility):
- Finanzierung grenzüberschreitender Wasserstoffinfrastruktur.
7. Rechtliche Herausforderungen
a) Abgrenzung von Wasserstoffarten
- Unterscheidung zwischen grünem, blauem und grauem Wasserstoff.
- Rechtliche Anerkennung und Förderung ausschließlich für grünen Wasserstoff.
b) Sicherheits- und Haftungsfragen
- Haftung für Unfälle bei der Produktion oder dem Transport von Wasserstoff.
- Anforderungen an den sicheren Betrieb von Anlagen.
c) Wettbewerbsrecht
- Verhinderung von Marktverzerrungen durch ungleiche Förderbedingungen.
- Prüfung staatlicher Förderungen durch die EU-Kommission.
8. Leistungen von horak Rechtsanwälte / Patentanwälte im Wasserstoffrecht
a) Regulatorische Beratung
- Regelwerke: Unterstützung bei der Einhaltung nationaler und europäischer Vorschriften (EnWG, RED II, BImSchG).
- Zulassungsverfahren: Begleitung von Genehmigungsverfahren für Wasserstoffanlagen.
b) Vertragsgestaltung
- Erstellung von Wasserstofflieferverträgen, Netzanschluss- und Nutzungsverträgen.
- Entwicklung von Verträgen für IPCEI-geförderte Projekte.
c) Fördermittelberatung
- Beratung zu nationalen und europäischen Förderprogrammen.
- Unterstützung bei der Beantragung und Durchsetzung von Fördermitteln.
d) Patentrechtlicher Schutz
- Anmeldung und Verteidigung von Patenten für Wasserstofftechnologien.
e) Streitbeilegung
- Vertretung bei Konflikten zu Netzanschluss, Förderung oder Investitionsschutz.
- Internationale Schiedsverfahren gemäß Energy Charter Treaty.
horak Rechtsanwälte / Patentanwälte bieten umfassende Expertise im Wasserstoffrecht, das technische, wirtschaftliche und regulatorische Aspekte integriert. Mit tiefem Fachwissen unterstützen wir Mandanten bei der Umsetzung von Projekten, der Einhaltung rechtlicher Vorgaben und der Maximierung wirtschaftlicher Chancen in einem dynamischen und zukunftsweisenden Markt.