Klimaschutzrecht für die Zukunft: Das Klimaurteil des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 24. März 2021 (Az. 1 BvR 2656/18)

Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat in einem wegweisenden Urteil das deutsche Klimaschutzgesetz (KSG) teilweise für verfassungswidrig erklärt. Das Urteil gilt als Meilenstein, da es nicht nur die Rechte künftiger Generationen stärkt, sondern auch konkrete Anforderungen an die Gesetzgebung im Klimaschutz stellt.


1. Hintergrund des Urteils

  • Beschwerdeführer:
    Verschiedene Umweltaktivisten, darunter junge Menschen und Landwirte, reichten Verfassungsbeschwerden ein. Sie machten geltend, dass das deutsche Klimaschutzgesetz ihre Grundrechte verletze, da es unzureichende Maßnahmen für den Klimaschutz vorsehe.
  • Kern des Vorwurfs:
    Die im KSG festgelegten nationalen Klimaziele und Maßnahmen für den Zeitraum bis 2030 seien nicht ausreichend, um das Ziel der Treibhausgasneutralität bis 2050 zu erreichen. Die Beschwerdeführer argumentierten, dass dies zu unverhältnismäßigen Einschränkungen ihrer Grundrechte in der Zukunft führen würde.

2. Prüfung durch das BVerfG

Das BVerfG prüfte insbesondere die Vereinbarkeit des Klimaschutzgesetzes mit folgenden Artikeln des Grundgesetzes (GG):

2.1. Artikel 20a GG (Staatsziel Umweltschutz)

  • Prüfungsmaßstab:
    Artikel 20a GG verpflichtet den Staat, die natürlichen Lebensgrundlagen zu schützen und die Verantwortung gegenüber künftigen Generationen wahrzunehmen.
  • Feststellungen des Gerichts:
    • Das BVerfG stellte fest, dass der Staat durch das KSG zwar erste Schritte unternommen habe, um die Treibhausgasemissionen zu reduzieren.
    • Allerdings seien die Regelungen nicht ausreichend, um langfristig eine Erfüllung des Staatsziels Umweltschutz sicherzustellen.
    • Der Schutz künftiger Generationen werde verletzt, da das Gesetz ab 2030 keine konkreten Vorgaben zur Reduktion von Emissionen enthält.

2.2. Artikel 2 Abs. 1 GG (Allgemeine Handlungsfreiheit)

  • Prüfungsmaßstab:
    Artikel 2 Abs. 1 GG garantiert jedem die allgemeine Handlungsfreiheit. Einschränkungen müssen verhältnismäßig sein.
  • Feststellungen des Gerichts:
    • Das Gericht argumentierte, dass unzureichender Klimaschutz heute zu massiven Freiheitseinschränkungen in der Zukunft führen könne.
    • Der Staat sei verpflichtet, Maßnahmen so zu gestalten, dass künftige Generationen nicht unverhältnismäßig belastet werden.

2.3. Artikel 14 GG (Eigentumsgarantie)

  • Prüfungsmaßstab:
    Artikel 14 GG schützt das Eigentum und regelt dessen Sozialpflichtigkeit.
  • Feststellungen des Gerichts:
    • Die Beschwerdeführer, darunter Landwirte, machten geltend, dass der Klimawandel ihr Eigentum, etwa durch Extremwetterereignisse und sinkende landwirtschaftliche Erträge, gefährdet.
    • Das BVerfG bestätigte, dass der Schutz des Eigentums auch den Schutz vor existenziellen Klimafolgen umfasst.

2.4. Artikel 1 Abs. 1 GG in Verbindung mit Artikel 2 Abs. 2 GG (Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit)

  • Prüfungsmaßstab:
    Artikel 2 Abs. 2 GG schützt das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit, das durch die Würdegarantie des Artikel 1 GG gestützt wird.
  • Feststellungen des Gerichts:
    • Die Klimakrise stelle langfristig eine Bedrohung für Leben und Gesundheit dar.
    • Der Staat sei verpflichtet, Schutzmaßnahmen zu ergreifen, um diese Bedrohungen zu minimieren.

3. Ergebnis und Wirkung des Urteils

Das BVerfG entschied:

  1. Verfassungswidrigkeit des Klimaschutzgesetzes in Teilen:
    Die Klimaziele bis 2030 seien unzureichend konkret und es fehlten verbindliche Reduktionsvorgaben für die Zeit nach 2030.
  2. Nachbesserungspflicht:
    Der Gesetzgeber wurde verpflichtet, bis Ende 2022 ein überarbeitetes Klimaschutzgesetz vorzulegen, das konkrete Maßnahmen für die Zeit nach 2030 enthält.
  3. Grundrechtsbezug:
    Das Gericht betonte, dass das Grundgesetz eine langfristige Perspektive auf den Klimaschutz verlangt. Die Rechte künftiger Generationen müssen bereits heute berücksichtigt werden.

4. Bedeutung des Urteils für das Klimarecht

4.1. Stärkung der Grundrechte

Das Urteil verankert den Klimaschutz fest im Grundrechtsschutz. Es zeigt, dass unzureichender Klimaschutz heute zu Verletzungen von Freiheits- und Eigentumsrechten in der Zukunft führen kann.

4.2. Verpflichtung zur Langfristigkeit

Der Gesetzgeber muss bei Klimaschutzgesetzen eine langfristige Perspektive einnehmen und konkrete Vorgaben über Jahrzehnte hinweg machen.

4.3. Signalwirkung

Das Urteil hat nationale und internationale Aufmerksamkeit erlangt und zeigt, dass Gerichte eine aktive Rolle bei der Durchsetzung von Klimaschutz spielen können.

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